Passport please – oder warum wir das Schengen-Abkommen lieben

Ich liebe Reisen im Schengen-Raum. Grenzen sind kaum zu bemerken, vielleicht muss man mal etwas langsamer fahren. Ganz anders bei der Weltreise von Calais nach Dover!

Eigentlich könnte alles ganz einfach sein. Wir haben reserviert, sind viel früher da und wollen umbuchen. Geht das?Ja, kein Problem, es sind auf der Fähre um 18:00 Uhr noch Plätze frei. Dabei müssen auch die Hunde nochmals angegeben werden und man hätte… aber dazu später mehr.

Eigentlich soll das Umbuchen auch drei Euro kosten, aber dem freundlichen Herrn am Schalter ist das zu viel Arbeit für so wenig Geld, also winkt er nur ab und meint „lassen wir das…“. Dickes PLUS für so viel Kundenfreundlichkeit!

strahlend blauer Himmel am Terminal Calais

Damit sind die positiven Seiten aber schon alle beschrieben. Wir stellen uns in die Warteschlange zum Check-In. Das kennen wir ja von Texel: kurz anhalten, Papiere prüfen, weiter. Natürlich kommt hier noch die Ausweiskontrolle dazu. Aber warum haben die hier zwei Schalter? Klar: einen für die Ausweiskontrolle und einen für das Fährenticket.

Erster Schalter: „Passeport s’il vous plaît.“ Kein Problem, die haben wir ja alle schon bei Gisela abgegeben. Kurz darauf weiter zur Ticketkontrolle.

„Passport please“. Was??? Das hatten wir doch gerade erst? Ach ja, das war die Ausreise aus Frankreich, jetzt kommt die Einreise nach Großbritannien. Aber das ging ja eben ganz schnell, also auch hier alle Ausweise abgeben, kurzer Blick darauf und weiter. Aber halt: Sven und ich müssen einmal ans Fenster kommen, damit man prüfen kann, ob wir es auch wirklich sind. OK, verstehe ich. Das ist ja nur richtig, könnte ja sonstwer sich durch die Kontrollen schmuggeln. Hinten im Wohnmobil bekommt man auch nur wenig mit, was Gisela mit dem Herrn am Schalter redet.

Aller guten Dinge sind drei – also gibt es auch drei Schalter. Jetzt brauchen wir nur noch die Bordkarte, dann sind wir fertig. Gisela fährt extra ganz nah an den Schalter, damit sie alles durch das Fenster rausreichen kann.

„Passport Please“ – Wie?? Was??? noch mal??? “ Ahh, jetzt waren die Hunde dran. Na ja, wir haben sie ja extra zwei Tage vorher gegen Bandwurm impfen lassen, also locker innerhalb der 120 – 24 Stunden vorher. Daher, machen wir uns keine Sorgen. Wir haben aber nicht mit der englischen Angst vor das eingeschmuggelten wilden Bazillenträgern gerechnet. Erst dauerst es ewig, dann bekommen wir einen Scanner für die Hunde-Chips. OK, verstehe ich auch noch, könnten ja ganz andere Hunde sein und im Hundepass ist ja auch kein Foto. Aber ist es ja schon ein Riesen-Fortschritt, das wir die Hunde überhaupt mitnehmen können – das war bis vor kurzem noch ganz anders.

Wo ist der Identitäts-Chip?

Wo ist der Identitäts-Chip?

Also erst Mara scannen, Scanner zurückgeben. Dann Lotta scannen, Scanner zurückgeben und dann geht es weiter, aber nicht mit der Fahrt sondern mit der Kontrolle. Bitte mal aussteigen und reinkommen!
Jetzt rächt es sich, dass Gisela unser Wohnmobil sehr gut kennt und maximal nah an das Schalterhäuschen herangefahren ist. Die Tür geht nur noch auf, weil das Führerhaus schmaler ist als der Aufbau. Schließlich ist sie draußen und verschwindet im Schalterhaus. Wir ahnen schon Schreckliches. Nach etwa einer viertel Stunde, dreimal raus und wieder rein, vielen Diskussionen   und Belehrungen sind die Hundepapiere zweimal neu ausgestellt und wir sind wegen unserer schweren Vergehen verwarnt:

In Lottas Hundepass steht nur, dass sie im Dezember 2002 gechippt wurde, aber nicht an welchem Tag. Und noch schlimmer: bei der Impfung vorgestern hat doch die Tierärztin entgegen aller weltweit geltenden Gesetze die Uhrzeit nicht aufgeschrieben sondern nur das Datum! „Ausnahmesweise dürfen Sie einreisen“ – oh jeh, und das weil beim Datum von vor zwei Tagen die Uhrzeit fehlt und der arme Mensch darum nicht so einfach feststellen kann, ob es mehr als 24 Stunden sind…

Und dann ist Saskia gefordert und bringt den Menschen am Schalter völlig zur Verzweiflung. Saskia bekommt von ihm etwas in die Hand gedrückt und und dazu einen ganzen Schwall von englizösischdeutschen Wörtern. Ich sehe von hinten mindesten 5 Fragezeichen langsam aus Saskias Kopf aufsteigen und über ihr zerplatzen. Derweil höre ich von draußen ein verzweifeltes „warum macht sie das nicht?“ „warum macht sie das nicht?“

Saskia hat einen Aufkleber und einen blauen Aufhänger und versteht im Sprachenwirrwarr nicht wo das alles hin soll. Irgendwo im Fenster aber beim Fahrer oder andere Seite? von innen? von außen? Und was ist mit dem zweiten Teil? Ich helfe aus und so landet der gelbe Aufkleber links unten von innen an der Scheibe (er besagt DASS wir „Pets on board“ haben) und der blaue Aufhänger kommt an den Rückspiegel und besagt dass es ZWEI sind. Endlich haben wir es geschafft.

Jetzt ist uns auch klar, warum das ganze Prozedere nicht schon am Schalter im Fährterminal erfolgt ist: wir könnten ja heimlich noch schnell die Hunde tauschen, Dokumente fälschen und dann andere Tiere mit den schlimmsten Seuchen nach Großbritannien einschmuggeln! Nun ja, wir hoffen dass das echt englische Mentalität ist und wir wollen ja nach Schottland – die sind dort gewiss anders drauf.

Endlich sind wir durch und es ist noch etwas Zeit bis zur Fähre. Wir schauen dem Entladen der vorherigen Fähre zu, unsere kommt gerade in den Hafen. 18:00 Uhr soll sie wieder abfahren. Es wird fünf, halb sechs, sechs. Nichts passiert. Dann rollen die ersten Autos von der Fähre und nach und nach können auch die neuen Fahrzeuge in die Fähre rollen. Eine Spur neben uns hat der erste Wagen der Reihe eine Panne und braucht Starthilfe – da sind die Hafenmitarbeiter bestens ausgerüstet und kaum 5 Minuten später ist das Auto wieder startklar.

Auf der Fähre müssen die Hunde alleine bleiben. Sie dürfen auf den Fähren nach GB grundsätzlich nicht mit an Deck. Das war ja auch der Grund, warum wir Calais – Dover gewählt haben und dann durch ganz England fahren müssen, statt mit der Fähre 12 Stunden direkt nach Schottland.

Der Strand von Dover

Der Strand von Calais

Auf Deck ist bestes Wetter. Jacken haben wir (fast) umsonst mitgenommen. Es ist im Wind etwas kühl aber nicht kalt. Der Blick auf Calais vom Meer aus zeigt uns deutlich: dort würden wir niemals Urlaub machen. Der Stand ist zwar breit und recht leer, aber direkt dahinter hässliche Hotels und der Fährhafen direkt daneben.

Viel besser ist da der Blick auf die Kalkstein-Klippen. Im Vergleich zu den Klippen bei Etretat sind die Felsen bei Calais aber viel niedriger und bei Weitem nicht so beeindruckend. Gegenüber können wir schon England sehen, aber es ist etwas diesig und so sieht man nur einen schmalen andersfarbigen Streifen über dem Meer, ohne genau erkennen zu können, um was es sich handelt.

Eine Stunde später ein grandioser Anblick! Die Klippen von Dover erfüllen alle
Erwartungen. Hoch, weiß, gigantisch.

Klippen von Dover

Klippen von Dover

Es ist jetzt aber schon spät. Trotz Zeitumstellung GMT+0 ist es schon nach 19 Uhr. Wir suchen im Navi einen Campingplatz in der Nähe und lassen uns nach dem Verlassen der Fähre navigieren. Die Ausfahrt führt durch einen Tunnel. „Drive slow“ steht dort. Ja klar, wir müssen das Linksfahren ja noch üben. Kurz darauf „Passport please“.. Ja haben die denn kein Vertrauen zu ihrem Kollegen auf dem Festland? kann man auf der Fähre noch die Identität tauschen oder einen Taucher dazuschmuggen? Wir wissen nicht wozu das gut sein soll und sind froh, dass nur der Wagen vor uns kontrolliert wird und wir durchgewunken werden.

Wir rechnen kurz mal aus: alle Kontrollen zusammen (inkl. Wartezeiten in der Schlange) haben gut eine Stunde gedauert. Wir sind heute schon von Deutschland in die Niederlande, dann nach Belgien und dann nach Frankreich gefahren. Das Schengen-Abkommen hat und drei Stunden mehr sinnvoll nutzbare Lebenszeit geschenkt! Danke!

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